Montag, 11. April 2011

Gesicht zeigen...

In der Göttinger Innenstadt, am sogenannten „Nabel“ steht diese Skulptur von 
Bernd Altenstein.
Ich bin ihr 1995 auf einer Reise nach Hamburg zum 26. Deutschen Evangelischen Kirchentag begegnet, als ich damals in Göttingen Zwischenstation machte. 
Diese Darstellung hat mich sehr beeindruckt und erinnerte mich an Udo Jürgens und seine Tourneé 1989 „Ohne Masken“.
Das Bedürfnis, den Anderen ohne Maske begegnen zu können und sie auch ohne Maske sehen zu können, meine ich, ist in dieser Plastik festgehalten. Dabei sehe ich aber auch das hohe Risiko, welches für einen Menschen besteht, der sich ohne Maske – ungeschminkt – seinen Mitmenschen offenbart. Der Bildhauer nannte diese Familienanordnung „Der Tanz“ und ich habe gelesen, dass er damit die Öffentlichkeit ansprechen wollte in bezug auf familiäre Verhältnisse. Und so ist es im familiären Kreis wesentlich ungefährlicher, sich ohne Maske zeigen zu wollen. Aber selbst da scheint es uns schwer zu fallen, Gesicht zu zeigen – ehrlich miteinander umzugehen.
Schlimmer ist es meines Erachtens, das Gesicht und damit das Ansehen zu verlieren. Und das, so meine ich, geschieht, wenn es Auseinandersetzungen mit eskalierenden Fakten gibt.
In der Konfliktbearbeitung habe ich drei Stufen kennen gelernt, die sich noch in Unterstufen unterteilen. Die erste Stufe dabei ist die Verstimmung (aufgrund von Enttäuschung), welche sich dann zu Debatten bis hin zum Kontaktabbruch steigern kann.
In der Fortsetzung sind soziale Ausweitung, Strategien und Androhung von Gewalt die Folge. Hier beginnt die Gefahr, dass beide Kontrahenden  Gesichtsverluste erleiden können. Denn in dieser Art der Auseinandersetzung gewinnt keiner von beiden Sympathie und verlieren beide an Ansehen, weil sie es bis hier nicht geschafft haben, eine Kommunikation herzustellen, welche die Missverständnisse ausräumen und Wege zur Einigung anstreben könnte.
Masken sind wie Rüstungen, welche Angriffe verhindern sollen, aber gleichzeitig die Flexibilität im Agieren derart herabsetzen, dass eine gesunde Verständigung unmöglich wird.
Oftmals hilft es Menschen sich besser zu verständigen, wenn sie festgefahrene Positionen aufgeben. Die Skulptur zeigt dieses Ringen, die eigene Position bewahren zu wollen, weil sie allein Sicherheit verspricht. Dabei wäre ein Positionswechsel, die Aufgabe des eigenen Standpunktes, gerade das „Heilmittel“, mit welchem sich festgefahrene Gespräche entspannen könnten.
Das gewohnte Umfeld, die eigenen vier Wände, der Beruf, die Rolle, in welcher ‚mensch’ sich befindet, vermittelt zunächst Sicherheit, verhindert aber 
das Aufeinanderzugehen!
Welcher Kraftanstrengung es bedarf, dem anderen die Maske wegzunehmen, das lässt sich in diesem Bild vom „Tanz“ (der Familie) gut erahnen. Ehrlich miteinander sein – dazu bedarf es einer Kraft, die, so meine ich, aus dem Glauben geschöpft werden kann. Der Glaube an eine liebende Kraft, die mich so, wie ich bin, annimmt und liebt, schenkt Kraft, auch auf andere zugehen zu können. Ich wünsche uns dieses Ostern 2011 und alle weiteren Ostern die Kraft zur Begegnung!


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